§. 13. Indem ein Musikus nicht anders rühren kann, er sey dann selbst gerührt; so muß er nothwendig sich selbst in alle Affecten setzen können, welche er bey seinen Zuhörern erregen will; er giebt ihnen seine Empfindungen zu verstehen und bewegt sie solchergestalt am besten zur Mit-Empfindung. Bey matten und traurigen Stellen wird er matt und traurig. Man sieht und hört es ihm an.*)
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§13. Since a musician cannot move others unless he is moved himself, he must necessarily be able to immerse himself into all the affects he wishes to arouse in his audience. He communicates his feelings to them and thus most effectively moves them to share his feelings. In languid and sad passages he gets languid and sad as one can observe and hear.*)
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*) Hierbei nehme man sich vor dem Fehler des Allzuschläfrigen und Schleppenden in acht. Man kann durch zu vielen Affect und Melancholie leicht darein fallen.
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*) Be careful hereby to avoid the mistake of getting all too sleepy and sluggish, which may easily happen due to excessive affect and melancholy.
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Dieses geschicht ebenfalls bey heftigen, lustigen, und andern Arten von Gedanken, wo er sich alsdenn in diese Affecten setzet. Kaum, daß er einen stillt, so erregt er einen andern, folglich wechselt er beständig mit Leidenschaften ab. |
This also happens with intense, cheerful, and other kinds of ideas in which the performer immerses himself. As soon as he satisfies one of them he excites another, and therefore constantly changes his passions. |
Diese Schuldigkeit beobachtet er überhaupt bey Stücken, welche ausdrückend gesetzt sind, sie mögen von ihm selbst oder von jemanden anders herrühren; im letztern Falle muß er dieselbe Leidenschaften bey sich empfinden, welche der Urheber des fremden Stücks bey dessen Verfertigung hatte. |
He fulfills this task mainly in expressive pieces, whether composed by himself or by someone else. In the latter case he has to feel the same passions that the author of the piece felt while composing it. |
Besonders aber kann ein Clavieriste vorzüglich auf allerley Art sich der Gemüther seiner Zuhörer durch Fantasien aus dem Kopfe bemeistern. Daß alles dieses ohne die geringsten Geberden abgehen könne, wird derjenige blos läugnen, welcher durch seine Unempfindlichkeit genöthigt ist, wie ein geschnitztes Bild vor dem Instrumente zu sitzen. |
Yet, a keyboard player can exquisitely direct the moods of his listeners through improvised fantasias in particular. Those who, by their lack of sensitivity, feel compelled to sit still like a wooden statue at the instrument, might insist that this can happen without the slightest gesture. |
So unanständig und schädlich heßliche Geberden sind: so nützlich sind die guten, indem sie unsern Absichten bey den Zuhörern zu Hülfe kommen. Diese letztern Ausüber machen ungeachtet ihrer Fertigkeit ihren sonst nicht übeln Stücken oft selbsten schlechte Ehre. Sie wissen nicht, was darinnen steckt, weil sie es nicht herausbringen können. |
As indecent and harmful as ugly gestures can be, the good ones are useful because they help to convey our intentions to our listeners. Such insensitive performers, despite their proficiency, do disservice to their pieces, which may be not at all bad. They do not know what is in them because they cannot bring it out. |
Spielt solche Stücke aber ein anderer, welcher zärtliche Empfindungen besitzet, und den guten Vortrag in seiner Gewalt hat; so erfahren sie mit Verwunderung, daß ihre Werke mehr enthalten, als sie gewußt und geglaubt haben. Man sieht hieraus, daß ein guter Vortrag auch ein mittelmäßiges Stück erheben, und ihm Beyfall erwerben kann. |
And they are surprised that there is more in their works than they knew and believed, if someone else with tender feelings and who understands good performance plays them. We learn from this that good performance may elevate even a mediocre piece and procure applause. |